Eine Wahrnehmung Oberammergaus Anfang 2020 – Hinter dem Oberbayerischen Postkartenidyll steckt eine gewachsene Ortsstruktur mit enormer Diversität. Wohnen im Obergeschoss und Arbeiten im Erdgeschoss ist im Ortskern noch weit verbreitet. Plätze, Straßen und Gassen bieten den Menschen – groß wie klein – Aufenthaltsqualität. Das Dorf wird nicht nur von den Touristen sondern vor allem auch von den Einheimischen noch immer als Kollektiveigentum gesehen, sofern es der leider immer mehr werdende Individual- und Reiseverkehr zulässt.

 


Die kleinen Läden, Gaststätten und Cáfes im Dorf sind sowohl bei den vielen Besuchern als auch bei den Oberammergauern selbst sehr beliebt. Das Ortszentrum ist belebt und noch bietet es den Supermärkten am Ortseingang als immer dominanter werdende Nahversorgungsquelle Paroli. Rund um den Ortskern folgt Oberammergau dem ländlichen Trend – hier wächst und verteilt sich die Anzahl der so beliebten Typologie des Einfamilienhauses. Individuelle Wohnträume können hier verwirklicht werden – alternative Wohnformen werden dagegen leider politisch eher weniger unterstützt.

 

»Parken nur für Bedienstete des Rathauses«

»Treffpunkt des guten Geschmacks«

 

 

 

 

»Treffpunkt des guten Geschmacks«

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

#nofilterneeded

Der Passion wird im Passionstheater gespielt, alle 10 Jahre und er ist »der« Touristenmagnet schlechthin. Das dafür eigens errichtete Gebäude wird inzwischen auch zwischen den Dekaden für kulturelle Veranstaltungen genutzt – wenn nicht gerade eine Pandemie alles auf den Kopf stellt.

Das Passionstheater von hinten …

… viel schöner als von vorne.

… viel schöner als von vorne.

Holzschnitzereien sind ein fester Teil von Oberammergau – und der eigenen Familie. Der Opa von Veronika ist selbst ein Schnitzer: Karl Führler ist Bildhauer-Meister und hatte auch einen eigenen Laden. Der war bis Dezember 2020 erhalten, daneben unser Architekturbüro. Ein wenig aus der Zeit gefallen wirken die Skulpturen und ihre Präsenz, ihre (Nicht-)Präsentation, der Witz ist aber, dass sie seit Jahrzehnten ( Jahrhunderten?) so in dieser Form gemacht und verkauft werden. Heilige, Marien, Kruzifixe … in verschiedenen Größen, bemalt und holzsichtig. Im Gegensatz zur Welt, der weltlichen Welt, hat das Bildprogramm weiterhin einen stark religiösen Charakter. Der wird dem touristischen Publikum nicht immer bewusst sein, ist anzunehmen. Wer weiß, wie viele heilige George irgendwo in einer Vitrinie mitten in Tokyo stehen und hartnäckig Drachen töten? Wir jedenfalls sind am überlegen, was wir mit diesem Erbe machen. Konservieren/archivieren, zeitgenössisch interpretieren, verkaufen. Womöglich wird es vielleicht einmal einen Webshop geben mit neonfarbenen Madonnen.

Museum oder Depot könnte es auch sein, der Laden – Zeitgeschichte jedenfalls, zuletzt mit Öffnungszeiten nach Vereinbarung.

Matthias und Veronika Meichelböck – März 2021