Nun gut, wer seid ihr denn? Wie gibt man jemand Einblicke in das eigene Denken? Wie reflektiert man das eigene Handeln und zeigt damit gleichermaßen etwas von sich, seiner Arbeit und dem Antrieb dazu? Am besten, in dem man darüber redet. Das hat der Designer, Autor und Dozent Andreas Koop mit Veronika und Matthias gemacht. Es ist ein Gespräch über die beiden, ihren Ort, Beruf und ihre Berufung. Das soll ausdrücklich kein raffiniertes Marketing sein, sondern ein erstes Kennenlernen auf die Ferne. Und durchaus eine Einladung miteinander zu sprechen!

VM  Veronika Meichelböck

MM  Matthias Meichelböck

AK  Andreas Koop – Designer

AK  Habt ihr Euch eigentlich über die Architektur gefunden?

MM  Nein, wir kannten uns schon – ich bin aber über die Vroni zur Architektur gekommen. Sie hatte da noch studiert und ich Zivildienst gemacht.

VM  Er hat mein letztes Semester und die Diplomarbeit hautnah miterlebt!

AK  Das war so überzeugend, dass Du gedacht hast: Mache ich auch?

MM  Ja! Etwas Soziales hätte ich mir sonst vielleicht noch vorstellen können.

AK  Das ist die Architektur ja eigentlich auch. Ich bemängele oft bei Design, dass die Soziologie dort eine viel zu geringe Rolle spielt, gerade im Studium. Das ist bei der Architektur wohl ähnlich?

VM  Absolut. Ich kann mich eigentlich nur an einen Entwurf erinnern, wo zumindest das Soziale eine zentrale Rolle spielte: Für eine gemeinnützige Wohnungsbaugesellschaft in München. Dort ging es um eine innerstädtische Nachverdichtung und die Entwicklung eines sozialen Wohnungsbaus – dort habe ich am meisten über diese Themen nachgedacht. Über soziale Verhältnisse, wie man wohnt, was sozialverträglich ist … aber ansonsten steht das Entwerfen im Vordergrund.

MM  Es ist meist eher eine »Nebenerscheinung«. Im größeren Maßstab, also auf städtebaulicher Ebene, werden schon soziale Prozesse und die Abläufe und Folgen des Zusammenlebens von Menschen untersucht.

AK  Wurde es bei dem Sozialbau-Projekt wegen der Kosten anspruchsvoll?

VM  Es gibt einen Schlüssel. Dazu muss der Wohnungsmix vorhanden sein, die Wohnungsgrößen waren beschränkt – es war in Summe limitierter und hat die Wahrnehmung durchaus verändert. Wie ist der Umgang mit Flächen? Wie sind Räume organisiert? Die Ausrichtungen der Zimmer? Man möchte ja den Menschen trotz aller Beschränkungen schöne Wohnungen bauen. Das war sehr anspruchsvoll.

AK  Für Architekten sind Sozialwohnungen also mehr Arbeit für weniger Geld?

VM  Im Grunde ja.

AK  Und deshalb nicht so beliebt?

VM  Vermutlich – aber eigentlich die »Königsdisziplin«.

AK  Zu eurem Ort hier. Ist Oberammergau mehr als Lüftlmalerei und Passionsspiele? Mehr als eine Station für »Europe in ten days«.

MM  Definitiv. Natürlich ist es das alles was du da aufzählst auch – aber darüber hinaus ein sehr lebens- und liebenswerter Ort. Wenn wir auf der Hausbank hocken kann es schon sein, dass sich in kürzester Zeit eine kleine Runde zu Kaffee oder Feierabendbier zusammenfindet.

VM  Viele junge Oberammergauer kommen nach der Ausbildung oder dem Studium auch gern wieder zurück. Das ist hier schon sehr ausgeprägt – mehr als anderswo. Nicht wenige entscheiden sich sehr bewusst für diesen Ort. Es gibt hier neben der schönen Landschaft halt auch Cafés, Eisdielen, Kneipen, ein Schwimmbad, ein Kino und man muss nicht ins Auto sitzen, um zum Bäcker zu fahren.

MM  Das soll aber nicht heißen, dass hier alles nur toll ist. Es gibt schon Dinge wo es »Potential für Verbesserung« gibt. Ob gesellschaftlich oder architektonisch. (lacht)

AK  Von wo kommt ihr denn her? Du Vroni aus Oberammergau, oder?

VM  Bis ich vier war, ja. Dann haben meine Eltern in Wurmansau ein Haus gebaut. Auch wenn es da nicht viel gab, genügend Kinder zum Spielen waren da!

MM  Ich bin gebürtig aus Trauchgau. Zur Lehrzeit war ich in Kempten, habe da in einer Autowerkstatt vier Jahre meine Ausbildung gemacht. Damals kam »fast and furious« heraus und Autotuning fand ich super! (lacht) Das war das Thema in der Schule. Die Ausbildung wurde irgendwann Nebensache, ich war viel beim Klettern … und auf einer Geburtstagsfeier habe ich dann die Oberammergauer kennengelernt – danach war ich fast jedes Wochenende hier zum Musikmachen. Im Fasching hab ich dann die Vroni getroffen.

AK  Also unter Alkoholeinfluss?

VM  Ja.

MM  Ich war nüchtern! (lacht)

VM  Das stimmt überhaupt nicht.

AK  Musik ist auch in Deiner Vita wichtig, mit der Ausbildung zur Zupfinstrumentenmacherin, ein schönes Wort. Die baut man anders als Streichinstrumente?

VM  Ja, die funktionieren anders. Ich kam über eine Lehrerin auf dem Gymnasium zu diesem Beruf und schließlich auf die Schule in Mittenwald.

AK  Über Ehe, Beruf und Kinder hinaus verbindet euch also auch noch die Musik?

VM  Nicht direkt. Wir spielen selten zusammen – aber es ist uns beiden wichtig.

MM  Ich mache ja schon lange Musik und da ist ein gewisses Verständnis dafür natürlich schon gut – warum man das eben gerne macht, gerne unterwegs ist … Mit den Kindern spielen und singen wir aber oft zusammen.

AK  Passt dazu, dass Dein Vagabundenleben jetzt zu Ende ist und du gesittet und sesshaft bist. Darf man gratulieren oder ist es eine Strafe?

MM  Ich bin auf keinen Fall traurig! Aber klar, es ist schon lustig, zusammen im Bus loszuziehen! Das Herauskommen aus dem Tal ist weiterhin sehr wichtig, das braucht es regelmäßig.

AK  Die Zeit mit »Kofelgschroa« war so lang und intensiv, dass es auch wieder gut ist?

MM  Ja. Aber abgesehen davon sind wir ja nach wie vor befreundet, machen zusammen Musik und probieren auch neue Sachen aus, wie mit dem Maxi und Ensemble bei der »Aliendisco« in München letztes Jahr. Das schätze ich schon sehr.

VM  Du lebst auch immer sehr im Jetzt, trauerst nicht der Vergangenheit nach oder machst Dir Sorgen über die Zukunft, kannst Dich für viel begeistern, egal ob Pop oder Volksmusik.

MM  Danke, Schatz! (lacht) Ich komme ja von der Volksmusik. Das ist meine musikalische Sozialisation! Bei uns Daheim gab es CDs und Kassetten: 98% Volksmusik und eine Doppel-CD mit Hits aus den 1970ern. Dann kam irgendwann die Gemeinde-Bücherei dazu mit einem Kassetten-Regal. Da gab es so Sachen wie »Kings of the Stone Age« oder »Foo Fighters« – die sahen cool aus und kamen in den Walkman. Ohne zu wissen, was es ist!

AK  Wie war die »Kofelgschroa«-Zeit denn für Dich Vroni?

VM  Matthias war schon viel unterwegs. Trotzdem war die Zeit auch für mich sehr spannend, die vielen Freundschaften und Kontakte waren und sind sehr bereichernd. Natürlich gab es auch immer wieder mal Konflikte, wie um die Pünktlichkeit!

AK  Haben Eure Kinder eigentlich das Verhältnis zur Architektur verändert? Entdeckt man auf einmal den Sinn von Stauraum?

MM  In unseren Familien gab es überall recht viele Kinder, das war also nichts Neues!

VM  Auf unsere architektonische Haltung hatte das kaum Einfluss, eher auf die Arbeitsweise. Dass man sich nicht mehr so sehr in etwas verliert, dass es eher den Blick für das Wesentliche schärft. Ohne Kinder hat man sich vielleicht noch mehr über die Architektur definiert. Auch der Wettbewerb mit anderen war präsenter – als Architekt ist man ja immer irgendwie im Vergleich, im Wettbewerb, bereits im Studium.

MM  Die Verhältnismäßigkeiten werden schon ein wenig korrigiert. Wir haben unsere Passion, unseren Anspruch, klar, aber eine Runde mit dem Radl drehen ist auch ganz schön!

AK  Seid ihr auch oft so neidisch, wenn Kinder vollkommen fasziniert von etwas sind – als gäbe es gerade nichts anderes mehr auf der Welt?

VM  Ja! Und wie sie sich freuen können.

AK  Was treibt Euch denn letztlich als Architekten um und an?

MM  Die übergeordnete Ebene ist natürlich, etwas zu bauen, was für den Nutzer gut funktioniert und für die Gesellschaft zugänglich und verträglich ist.

VM  Und dass wir mit dem Anspruch, den wir haben, unseren Lebensunterhalt verdienen.

AK  Ihn also nicht aus kommerziellen Gründen verlassen muss – und bestenfalls nicht trotzdem, sondern deshalb auch ökonomisch erfolgreich ist?

VM  Genau das ist der Punkt. Was auch mit Anerkennung zu tun hat – nicht um »cool« zu sein, sondern dass die Arbeit, die man macht, einen Wert hat.

MM  Es ist ja schon gravierend, wie viele Leute bauen, dabei mit Ressourcen und Geld um sich schmeißen, sich aber bei unwesentlichen Anschaffungen wesentlich mehr Gedanken machen als bei der Investition ihres Lebens. Dies gilt manchmal sogar für öffentliche Bauten. Wenn jemand aus dem Dorf zu einem kommt und eigentlich nur »gezwungenermaßen« eine Genehmigungsplanung braucht, ihn dann an die Hand zu nehmen und zu begleiten, zu versuchen über das, was er kennt, hinaus zu beraten, vielleicht auch zu konfrontieren und schauen, was man verbessern kann, ist wichtig. Und mehr als Schadensbegrenzung!

AK  Das nächste Großprojekt ist ein Neubau mitten im Ort – ist es schwierig, für sich selbst zu bauen?

MM  Das ist in jedem Fall schwierig! Man will es möglichst gut machen und weiß, was wir jetzt hier bauen, das schauen dann alle an: Ah, so machen das die Architekten! Und das alles noch Downtown Oberammergau, wo die umgebende Bebauung aus dem 17. Jahrhundert stammt, in Sichtweite zum Passionstheater … Und doch muss man sich wieder vor Augen führen: es ist letztlich auch nur ein Haus und nicht das Weltproblem.

VM  Man kann jedenfalls nichts auf den Bauherrn schieben und sich herausreden! Aber es ist natürlich eine tolle Chance!

AK  Nur nicht für die Hunderte von Heiligen, die dann weichen müssen. (Die Reste vom Laden des Opas)

VM  Ja – und jetzt wird auch noch die Passion verschoben. Wir hofften, dann alle noch vor Baubeginn verkaufen zu können.

Veronika und Matthias vor dem Laden, oder vielmehr Büro. In Oberammgau.

Interview und Fotos Andreas Koop – 8. Mai 2020 (Tag der Befreiung!-)